CES 2002

Intro
Computergesteuert
DVD-Krieg
Alles drahtlos
MP3 im Vormarsch
Kopierschutz
Ausklang

Es war einer jener kurzfristigen Entschlüsse. Vor 16 Jahren hatte ich einmal die CES, der Welt grösste Consumer Electronic Show besucht, und nun, nach all den Jahren, landete eine persönliche Einladung auf meinem Pult. Und da Las Vegas in weniger als 5 Stunden per Auto bequem erreichbar ist, beschlossen wir, dieser Einladung Folge zu leisten.

Die CES ist eine Trade Show, das heisst, sie ist (offiziell) nur für Händler, Branchenspezialisten und die Presse zugänglich. Die Konsumenten, die eigentliche Zielgruppe der gezeigten Produkte, müssen warten, bis die Herstellerfirmen ihre Neuigkeiten über den Handel anbieten.

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Computergesteuert

Bill GatesInteressant scheint mir nicht nur die Tatsache, das die CES einen Tag nach der Mac World San Francisco ihre Tore öffnete, sondern dass der CES Keynote Speaker, die Persönlichkeit also, die der ganzen Show den Stempel aufdrückt, Bill Gates war.

Ich will mich jedoch nicht mit seiner eher langatmigen Rede auseinandersetzen – alle, die schon mal Bill Gates in einer Medienshow erlebten, wissen, dass er sich und Microsoft superb zu positionieren weiss, so dass man unweigerlich denkt: So ein bescheidener Mann, der wie Du und ich wirkt, kann doch keine "bösen Absichten" haben. Doch nach einem Rundgang durch die riesige Messe musste jedem klar werden, dass Microsoft ihren Machthunger noch lange nicht gestillt hat, dass wir alle über kurz oder lang in irgend einer Weise von Bill Gates und seiner Firma beeinflusst werden – und dies auch als Mac- oder Linux-User! Doch wenn es nach Bill Gates geht, ist dies nur zum Nutzen der Menschheit, die von den Fortschritten und den neuen Technologien sofort profitieren soll.

Der Microsoft Pavillion zeigte denn auch ein Musterhaus nach Microsoft Art, in dem jedes Zimmer, inklusive Bad, Küche und Garage über ein zentrales Infotainmentcenter gesteuert und dadurch unser Lebensstil "optimiert" werden soll. Selbstverständlich spielt dabei das Internet eine grosse Rolle, ist es doch sowohl die Informations- und Aktivitätsquelle für den Vater (Börse und Sport), die Mutter (einkaufen, Menü planen, Küchengeräte steuern), die Kinder (spielen und lernen). Und dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Blick in unsere Microsoft-Zukunft. Ach ja, ich vergass zu erwähnen, dass das Internet resp. eine neuere, schnellere und "sicherere" Version in Zukunft über Microsoft Technologie gesteuert werden wird; genau so wie auch MP3 durch WMA (Windows Media Audio) ersetzt werden soll. Die Liste der Firmen, mit denen Microsoft schon einen Zusammenarbeits-Vertrag in Sachen WMA hat, ist lang und enthält Namen wie Panasonic, Pioneer, Blaupunkt, Apex und Toshiba.

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DVD-Krieg

panasonicAls ob der Konsument sich nicht schon mit genug verwirrenden Materien auseinander setzen müsste, wenn es um DVD-R geht. Dieses Format, seit rund fünf Jahren trotz Marktpräsenz noch in steter Entwicklung, kennt mittlerweile so viele verschiedene Formate, dass sich ein Rat bildete (das RDVDC = Recordable DVD Council), der die Kompatibilität sichern und neue Richtlinien aufstellen soll. So werden denn viele (nein, nicht alle!) der neuen DVD Player mit dem DVD-Multi-Logo gekennzeichnet sein, was bedeutet, dass diese Geräte sowohl DVD-Video als auch DVD-RAM, DVD-R und DVD-RW abspielen können. Interessanterweise wurde die (nun endlich geborene) DVD-Audio dabei noch nicht integriert.

Grossandrag bei Panasonic

Soweit so gut, doch ein neuer Problem-Graben öffnete sich, als Philips mit diversen Partnerfirmen das Format DVD+R und DVD+RW vorstellte, ein Format, das vom RDVDC schlicht ignoriert wird, wie sich an der Pressekonferenz herausstellte. Und am Philips Stand hörte ich zum ersten Mal, dass DVD-R als DVD-minus-R bezeichnet wird, im Gegensatz zum DVD-plus-R, ein wie mir scheint recht gemeiner, aber möglicherweise effizienter Marketingtrick.

Unterschiede

Samsung DemoDa das DVD+R System noch kaum Markt erprobt ist, muss man sich auf Aussagen und Firmenstatements stützen. Laut Philips ist der grösste Vorteil, dass der Brennvorgang bei der DVD+R und +RW nicht abgeschlossen werden muss; das Finalizing einer DVD-R dauert je nach Inhalt zwischen 5 und 20 Minuten. Dies bedeutet auch, dass man eine +RW sofort wieder überschreiben kann, ohne sie vorher löschen zu müssen.

Ein weiterer Vorteil sei die automatische Anpassung der Kompressionsrate (je nach Szene wird die optimale Kompression gewählt), was die Aufzeichnungsdauer im Idealfall bis auf drei Stunden steigen lasse (die DVD-R hat (zum momentanen Zeitpunkt) eine fixe Kompressionsrate und deshalb eine Aufzeichnungsdauer von rund zwei Stunden).

Flachbildschirme und Palm-Geräte: Demo bei Samsung

Die Behauptung, die Kompatibilität der DVD+R und +RW zu den Abspielgeräten sei grösser, konnte bisher noch nicht überprüft werden.

Ob nun die Tatsache, dass der Konsument einmal mehr zwischen zwei Formaten zu wählen hat, die Preise rasanter fallen lässt oder den Markt verunsichert und somit die DVD als Aufzeichnungsmedium auf die längere Bank schiebt, wird dieses Jahr zeigen. Einen grösseren Einfluss wird bestimmt die letzte Entscheidung der Firma Sony haben, die sich momentan noch für keines der beiden Formate definitiv entschieden hat. "Es wäre auch möglich, dass wir beide Formate unterstützen", konnte man aus Sonys Gerüchteküche vernehmen.

Was steckt dahinter?

Dass es in diesem Format-Krieg um Milliarden geht, wird einem klar, wenn man weiss, dass es bei der wiederbeschreibbaren DVD um die Nachfolge des VHS-Videorecorders geht: Wie sich schon vor Jahrzehnten Philips, JVC und Sony mit drei verschiedenen TV-Aufzeichnungsformaten bekämpft hatten, ein Streit, der ja bekanntlich von JVC mit dem VHS-Format gewonnen wurde, bekämpfen sich auch heute wieder ein paar Grossfirmen in einem leidigen Formatekrieg. Eigentlich geht es auch diesmal um drei Varianten, nur scheint das Panasonic Format DVD-RAM im Rennen schon etwas zurück zu liegen.

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Alles drahtlos

Neben den Neuerungen im Handy- und Palm-Markt, die ich als "Weder-noch-Benützer" nicht zu beurteilen im Stande bin, war ein ganzer Pavillion der drahtlosen Technologie gewidmet. In Theorie (und fairerweise erwähnt auch in ein paar wenigen Demonstrationen) funktioniert dies einwandfrei und scheint die Microsoft-Vision zu unterstützen, doch wenn man die Realität betrachtet, habe ich da meine bedenken: Natürlich sprechen Millionen von Menschen weltweit gleichzeitig über Handys miteinander, doch die Übertragungsqualität lässt in den meisten Fällen immer noch zu wünschen übrig. Und dann wäre, gerade in der Telekommunikation, noch das Problem der unterschiedlichen Systeme zu lösen.

Vorderhand noch verdrahtet: Der DVD-Player mit ausklappbarem Flachbildschirm und integrierten Stereoböxchen für die geplagte Hausfrau.

Doch die Drahtlostechnologie macht natürlich nicht bei der Telekommunikation halt; die grössten Entwicklungschancen werden der Navigation und der Ortung gegeben: Wenn mir die Navigationshilfen z.B. im Auto als echte Hilfe erscheinen, habe ich bei der Ortung jedes Individuums gewisse Mühe. Bedeutet dies nicht, dass wir unser Privatleben noch weiter aufgeben?

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MP3 im Vormarschaltec Speaker

Die vielen MP3 Player erhielten nochmals enormen Zuwachs, einerseits durch grössere – Compact Flash gibt es nun mit 1 GB Speicherkapazität – aber auch neue RAM-Karten (siehe auch weiter unten), anderseits durch viele Festplattengeräte, die in Kapazitäten bis zu 20 GB gezeigt wurden.

Und der Trend deutet darauf hin, dass nicht nur das Kassettengerät sondern auch der herkömmliche CD-Player im Auto bald ausgedient haben: Sony zeigte Autoradios, die entweder mit MP3-fähigen CD-Spielern oder aber direkt mit Festplatten ausgestattet sind. "Nehmen Sie ihre gesamte CD-Sammlung mit auf die Reise, aber lassen Sie die CDs zuhause", war inetwa der Slogan. Die Festplatte kann herausgenommen und direkt vom Computer über USB2 oder Firewire mit MP3s gefüllt werden.

Kein MP3-Player, sondern ein Computerlautsprecher von Altec, der (laut Firma) in Klang und Aussehen den aggressiven Videogames angepasst wurde.

Ich machte für mich mal die Rechnung: Auf einer CD (700 MB) haben rund 10 Stunden MP3s platz. Auf eine 20 GB Festplatte kann man demnach rund 300 Stunden Musik im MP3 Format, oder (laut Microsoft rund 600 Stunden im WMA-Format) aufzeichnen. Dann fragte ich mich, wer denn

a) soviele (rund 400) CDs besitzt
b) diese in MP3 verwandelt
c) diese Files alle auf die Festplatte transferiert
d) zum Schluss findet, was er oder sie hören möchte
Doch wahrscheinlich sind solche Fragen nicht angebracht.

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Neue Kopierschutz-Technologien

SD CardHier soll nur ein einziges Beispiel aufgeführt werden, das jedoch für viele steht: Ein Konsortium diverser Firmen entwickelte eine weitere Memory Karte, die SD Card. SD steht für "Secure Digital". Die SD Card ist kleiner und dünner sowohl als die Smart oder die Compact Flash Card als auch der Memory Stick. Und sie soll günstiger sein, als die Konkurrenten. Auf meine Frage nach den "Secure" wurde mir erklärt, dass die auf einer SD Card gespeicherten Daten automatisch kopiergeschützt seien und nur auf dem Gerätausgelesen werden können, auf dem sie gespeichert wurden. Mit anderen Worten: Meine MP3-Sammlung, die ich auf eine SD Card speicherte, kann ich nicht so einfach weitergeben – aber auch nicht in einem anderen Gerät als dem originalen Recorder abspielen. Ich wagte die Frage, wieso das dies dem Konsumenten nützen soll. Ja, eigentlich sei dies eher zum Schutz der Firmen, war die etwas verlegene Antwort. Doch wenn man den Preis sowohl für die SD Card-Geräte als auch für die SD Cards selber tief genug ansetzt, bezahlen also die Konsumenten selbst noch für die auferlegten Einschränkungen des Kopierschutzes. Auch eine Möglichkeit ...

Kontrovers

Der grösste Widerspruch liegt in der Sache selbst: Einerseits geben uns Firmen die Werkzeuge in die Hand, die uns gestatten die Copyright-Gesetze zu verletzen, und anderseits gibt es Firmen, die mit allerlei Methoden und neuen Produkten versuchen, sogar die bestehenden Konsumentenrechte zu untergraben. Die Diskussion ist auch in den USA so richtig am anlaufen, seit die ersten kopiergeschützten CDs in den Verkauf gelangten. Das Problem des Kopierschutzes ist jedoch nicht neu. Schon vor 20 Jahren hatte sich in den USA die "Home Recording Rights Coalition" gebildet, die sich dafür einsetzt, dass die gesetzlich festgehaltenen Konsumentenrechte wie z.B. das "Fair Use" Gesetz (das mir u.a. erlaubt, eine eigene CD mit der Kompilation meiner Lieblingslieder zu brennen, sofern ich die Originalaufnahmen erworben habe) nicht durch neue Technologien eingeschränkt werden.

Ausklang

Der Besuch der CES hat sich auf alle Fälle gelohnt. Nicht dass ich nun (wie früher nach Messebesuchen) mit feuchten Augen dem Erscheinen neuer Produkte entgegen fiebern würde - die wirklichen Neuheiten halten sich im Rahmen – aber wegen der diversen Einsichten und Erkenntnisse. Die Show zeigt klar auf, dass sich die grossen UE-Firmen mit den Computergiganten zusammenschliessen müssen, da Arbeitsplatz und Unterhaltungselektronik immer näher zusammenrücken.

Text: Christian Hunziker, Fotos: Ayako Imaizumi

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