Jeder ein Professional

Ein "Professional" ist, der Wortbedeutung nach, jemand, der eine gewisse Tätigkeit als seinen Beruf ausübt. Normalerweise hat diese Person auch eine entsprechende Ausbildung in dieser Tätigkeit, oder zumindest eine enorme Begabung, die sie oder ihn über das Gros des Durchschnitts hinausragen lässt.

Dass das Wort "Professional" in diversen Sparten eine drastische Abwertung erleidet, fiel mir in letzter Zeit vermehrt auf. Immer öfter haben Ottonormalverbraucher das Gefühl,Schnell ist man ein Profi, ein Professional dass der Besitz eines "Werkzeugs" sie automatisch zum "Professional" werden lässt. Kein Wunder, ist doch dies einer der Tricks, den die Werbung nur allzu oft einsetzt: Durch die Zusatzbezeichnung "Professional", meist der teuersten Kategorie einer Produktelinie hintangehängt, erhält der Kunde das Gefühl, nun in die Liga der besten, eben der Professionals aufgestiegen zu sein. Eigentlich ein billiger Psychotrick, der jedoch bis heute seine Wirkung nicht verloren hat. Tatsache ist zudem, dass die meisten "Werkzeuge" immer besser und billiger werden und erst noch leichter zu bedienen sind.

Ist Ihnen auch aufgefallen, dass in den letzten 20 Jahren ganze Berufskategorien ausgestorben sind? Natürlich hat dies nicht nur mit der Verbesserung der Werkzeuge, sondern auch mit der Do-it-yourself-Bewegung zu tun. Nehmen Sie als Beispiel das Druckgewerbe: Heute kann doch jeder seine Drucksachen selber entwerfen, layouten und auf dem Farbprinter für wenig Geld auch noch ausdrucken. Die Computersoftware ist so ausgeklügelt, dass man schnell "professionelle" Resultate erzielen kann . . . Doch wie steht's mit der Qualität? Sicher: Altbewährte Regeln müssen nicht unbedingt eingehalten werden. Aber es gibt gewisse Grundsätze, die ein echter "Professional" während seiner Ausbildung und dann auch in den Jahren der Erfahrung lernt, die nicht durch die Lektüre eine Buches oder eines Softwaremanuals aufzuholen sind.

Genau so ist es auch in der Musikindustrie: Unsere Werkzeuge wurden immer besser, leichter bedienbar und - vor allem - für jeden erschwinglich. Wenn vor 15 Jahren (um nur ein Beispiel zu nennen) ein Spezialist und mehrere 100'000 Franken benötigt wurden, um Bild und Ton zu synchronisieren, kann dies heute jeder realisieren und muss dafür vielleicht ein paar hundert Franken aufwenden.

Doch mit der Masse der Produktionen sinken Qualität und Originalität. Allerdings sind diese auch nicht mehr gefragt, denn im Durchschnitt hat ein "Hit" eine Lebensdauer von bestenfalls ein paar Wochen, bevor er in der Masse der neueren Neuheiten untergeht.

Wenn wir der Werbung Glauben schenken, kann jeder von uns Musik in professioneller Qualität - was immer das auch heissen soll - produzieren, wenn er nur die neusten Werkzeuge hat. Leider wird von der Werbung verschwiegen, dass es weder der beste Geräuschabstand noch der geringste Klirrfaktor sind, die gute Musik ausmachen.

Christian Hunziker

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