Blues!

Joe Williams, Meister des BluesWie oft vergessen wir, dass eigentlich alles damit begann! Ohne den Blues gäbe es weder Jazz noch Elvis, weder Rap noch Rock. Und dabei denke ich nicht einmal so sehr an all die Bluessänger (und Sängerinnen), die sich selber auf Billigstgitarren begleitend einen Namen in der Musikgeschichte geschaffen haben. Vielmehr denke ich an die Kunstform des Blues, an jene 12taktige Harmonienfolge, die immer wieder auftaucht, in endlos scheinenden Variationen, mal schnell, mal langsam, Musiker sämtlicher Sparten und Generationen gleichermassen fasziniert und - für mich ausserordentlich wichtig - als internationales Kommunikationsmittel unschätzbaren Wert besitzt.

Wer kennt es nicht, das 26 Chorus lange Saxsolo des Paul Gonsalves auf "Diminuendo and Crescendo in Blue" der Ellington Band, aufgenommen 1956 in Newport. Doch das ist nur ein Beispiel von vielen, wie unerschöpflich die Melodien, Stimmungen und Rhythmen sind, die in diese 12 Takte hineingepresst werden können.

In Long Beach gibt es einen von Hörern finanzierten Jazzsender - KLON 88.1 den man mit schnellem Internetzugang sogar weltweit geniessen kann (www.klon.org). Der bietet täglich Jazz aller Stilrichtungen und lässt die Hörer immer wieder aufpolierte LP-Perlen (nun auf CD) entdecken. Als Leckerbissen gibt es jeden Samstag und Sonntag von 14 bis 19 Uhr "Nothing but the Blues", sechs Stunden nonstop "Urblues" vom Feinsten. Und wenn Sie nun denken sollten, das wäre langweilig, "think again" (wie es hier heisst). Es ist einfach faszinierend und erstaunlich zu gleichen Teilen, wie verschieden und doch gleich die unzähligen Bluesinterpretationen - in diesem Fall alles gesungene Versionen - sind.

KLON, Heim des Jazz und des Blues

In einer anderen Sendereihe spricht und spielt Marianne McPartland mit Gästen, letzthin mit Ray Brown. Es war unglaublich, was die zwei in dieser Stunde so zwischendurch und nebenbei zusammen hingelegt haben, in alten Erinnerungen schwelgend. Doch der Höhepunkt waren zwei völlig improvisierte Blues in verschiedenen Tempi.

Und schon sind wir beim Blues als internationales Kommunikationsmittel: Gerade (aber nicht nur) im Jazz kommt es immer wieder vor, dass sich Musiker zu Jam Sessions zusammenfinden. Musiker, die sich zuvor nie begegnet sind, die vielleicht sogar nicht einmal eine gemeinsame Sprache sprechen. Und da die amerikanischen Standardmelodien nicht (mehr) allen geläufig sind, ist es in den meisten Fällen der Blues, der die Situation rettet.

Da kam doch der Bumper Sticker (einer jener oft witzigen Klebe-Sprüche, die die hintere Stossstange vieler Autos zieren) gerade recht, der fragt:

"When did you play the blues lately?"

Christian Hunziker

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