Oldies but Goodies # 17

Dexter Gordon – «Go»

Publiziert am 20. Juli 2018 - Christian Hunziker

Es gibt sie, die «Meilenstein»-Alben im Jazz. Und eines davon, wenn auch nicht für alle Jazzliebhaber zuoberst auf der Liste, ist «Go» von Dexter Gordon. Und dieses ist nun remastered in HiDefAudio erhältlich.

Der 1,96 Meter grosse Dexter Gordon war nicht nur wegen seiner Körpergrösse eine überragende Persönlichkeit im Jazz. Seine Liebe zur Musik im Allgemeinen und zum Jazz im Speziellen verdankt er nicht zuletzt seinem Vater, dem ersten schwarzen Arzt, der in Los Angeles praktizierte. Zu dessen Patienten gehörten u.a. Duke Ellington und Lionel Hampton.

Dexter begann sein Musikstudium mit 13 auf der Klarinette, wechselte einige Jahre später zum Tenorsaxophon. Seine ersten Profi-Erfahrungen machte der 18-Jährige als Mitglied der Lionel Hampton Big Band. 1943, Dexter Gorden war eben 20 geworden, spielte er in NYC mit Lester Young und Ben Webster, was er als einen der wichtigsten Momente in seiner Karriere bezeichnete.

Bewegtes Leben

Wie viele schwarze Jazzmusiker hatte Dexter Gordon (19231990) ein «durchzogenes» Leben. Zwar spielte er in den 40er Jahren mit sämtlichen Jazzgrössen von Louis Armstrong über Nat King Cole bis zu Miles Davis und Charlie Parker und lernte viel Neues im Zusammenspiel mit weiteren Grössen des Bebop. Doch kam er dabei auch «automatisch» mit Aufputschmitteln und Drogen in Kontakt und verbrachte beinahe 10 Jahre wegen Heroinbesitz hinter Gittern.

Sein erstes Comeback feierte er 1960, als er  endlich entlassen  bei Blue Note Records einen Vertrag unterzeichnete und während fünf Jahren neun Alben aufnahm. Nach einem Konzert in Ronnie Scott’s in London begann er mehr und mehr in Europa zu Touren und liess sich Ende der 60er Jahre in Kopenhagen nieder, wo er die dänische Jazzszene massgeblich mitprägte.

1976 kehrte er in die USA zurück, was von diversen amerikanischen Kritikern als «das Homecoming, die dritte Karriere» bezeichnet wurde.

1986 spielte er im Film «Round Midnight» die Hauptrolle und wurde prompt für einen Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert. Obgleich der Film eigentlich den Leben von Bud Powell und Lester Young gewidmet war, finden sich darin viele Ähnlichkeiten mit Dexter Gordons eigenen Erfahrungen.

Als er einmal gefragt wurde, welche seiner vielen Aufnahmen von ihm aus gesehen seine beste sei, zögerte er nicht lange: «Ich würde sagen Go! Die perfekte Rhythmusgruppe ermöglichte mir zu spielen, was ich spielen wollte.» Viele Kritiker sehen das auch so.

Dexter Gordon und Sony Clark.

«Go»

Vom ersten Ton des simplen Intros zu «Cheese Cake» bis zum ausklingenden Akkord von «Three O’Clock in the Morning» stimmt bei dieser Aufnahme musikalisch einfach alles. Das Zusammenspiel, das Aufeinander-Eingehen, das Übernehmen von Phrasen, Füllen von Improvisationspausen, alles wirkt natürlich, organisch, ungekünstelt.

Sonny Clark ist der ideale Unterstützer, brilliert jedoch auch in seinen eigenen Soli.
Dexter Gordon selbst ist in Hochform. Uptempi oder Balladen, alles meistert er mit Bravour. Was ich bei Dexter immer schätzte, waren seine Reminiszenzen zu anderen bekannten Songs, die er in seine Soli einflechten konnte.

Der erdige, kraftvolle Ton und die leicht verzögerte Phrasierung, die den swingenden Rhythmus so entspannt wirken lässt, sind Dexter Gordons Markenzeichen; er gehört zu den Saxophonisten, die man sofort erkennt.

Aufnahme/Tonqualität

Dass dieses Album nun sogar im FLAC-192-Format erhältlich ist, zeigt, wie sorgsam man bei Blue Note mit den Masterbändern umging.

Die Abmischung der Originalaufnahme von Rudy VanGelder, wie ich sie von der LP kenne, war in den 60er Jahren gut, doch nach heutigem Standard und für meinen Geschmack zu unausgewogen. Dexters Sax wurde zwar hervorragend eingefangen, das Klavier klingt jedoch eher verhalten, dürfte etwas präsenter, knackiger oder luftiger sein. Das Schlagzeug wirkt mir rechts aussen zu separiert und der Bass schwimmt zu stark im Hintergrund. Dies sind jedoch rein technische Vorbehalte, die ich, als sich die LP erstmals auf meinem Plattenspieler drehte, nicht hatte. Damals genoss ich einfach die Musik, hörte mir die Songs so oft an, dass ich auch heute noch gewisse Solopartien mitsummen könnte.

Nun wurden die Aufnahmen subtil, aber erfolgreich überarbeitet. Endlich klingt der Bass dank etwas mehr Höhenanteil präsenter, und auch das Klavier erhielt den nötigen Schub und scheint mir im Stereobild leicht umplatziert. Der A-B-Vergleich zwischen Alt und Neu ist überzeugend, die HiDef-Version ein erweiterter Genuss.

Fazit

«Go» ist, wie schon eingangs erwähnt, ein Meilenstein zumindest im bewegten Leben von Dexter Gordon, und wohl auch in der Jazzgeschichte allgemein. Was schon vorher galt, ist mit der Neuauflage beinahe Pflicht: «Go» sollte in keiner Jazzsammlung fehlen.

InfoDex

HR

Q

Onlinelink:
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